Unser Heim in der Faschistenzeit
Für uns war das kleine Bauernhöfl, das Vater in der Faschistenzeit von seinem Paten erbte, ein unschätzbares Gut. Es bot uns alles das was wir zum Leben brauchten. Wir hatten einen großen Acker auf dem wir Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Rüben, Kartoffeln, Flachs und Hanf pflanzten. Außerdem hatten wir ein paar Wiesen und Felder auf denen das Futter für 2 Pferde, für 3 oder 4 Kühe, für 8 bis 10 Kälber, für 2 Ziegen und für die Schafe wuchs. Wir hatten auch noch ein paar Schweine und etliche Hühner, eine kleine Mühle und einen Backofen, wir hatten also Milch, Butter, Fleisch und Eier, Mehl, Brot und Gemüse. Unser Essen war einfach und gesund. In der Früh wurde eine große Pfanne Muas gekocht, mittags gab es meistens Knödel, im Winter Knödel mit Sauerkraut, im Sommer Knödel mit Salat. Sie schmeckten uns trotzdem immer gut und niemand kam auf die Idee zu sagen: „Schon wieder Knödel“. Am Abend gab es Gerstensuppe, geröstete Kartoffel oder Polenta, kurzum, wir aßen das was uns die Landwirtschaft bot. Gekauft wurden nur einige notwendige Gewürze, Salz und ab und zu ein bisschen Zucker für die Geburtstagskuchen und für die Kekse zu Nikolaus und zu Weihnachten. In der Mühle wurde das Getreide gemahlen und im großen Backofen wurden alle zwei oder drei Monate eine Menge Brot gebacken. Wir hatten immer genug zu Essen und Vater konnte noch viele Lebensmittel an die Notleidenden in der Gemeinde verschenken. Die schmalen Gassen und Wege auf der vorderen und hinteren Seite der Häuserreihen mit den schmalen finsteren Durchgängen zwischen zwei Kellern gehörten uns Kindern. Dort spielten wir, hüpften, sprangen, schrieen und sangen, stritten und versöhnten uns wieder. Das Schönste an unserem Heim aber war die Stube. Sie war eine Oase des Friedens. Alle verbrachten die Abende im Kreise der Familie und jeder war froh, dass er über seine Sorgen und Probleme offen sprechen durfte. Aber trotz der vielen Sorgen und Probleme verlief das Leben in unserem Heim sehr harmonisch, bei uns wurde viel gelacht, gespielt, erzählt und ab und zu ein kleines Fest gefeiert.
Für mich hat die Faschistenzeit den Grundstein des Lebens gesetzt. Die vielen kleinen Freuden, die ich in dieser schweren Zeit erleben durfte, haben mir gezeigt, dass nicht Reichtum und Macht allein glücklich macht – nein, es ist die Zufriedenheit. Wenn ich jetzt, nach so vielen Jahren an die schlimme, sorgenvolle Faschistenzeit zurückdenke, kommt mir oft der Gedanke, dass diese schlimme Zeit in meinem späteren Leben oft positiv wirkte. Durch sie konnte ich mich über die vielen kleinen Dinge aufrichtig freuen. Durch sie konnte ich die vielen Erleichterungen, Erneuerungen, den Wohlstand unseres Landes und die vielen schönen Erlebnisse bewusst und dankbar erleben. Und durch sie wurde in meinem Herzen die Zufriedenheit gepflanzt.
Mein erstes Bier
Wieder war eine Steuerrate fällig. Mutter leerte unsere Haushaltskasse bis auf den letzten Centesimo. Sie musste zum Steueramt nach Schlanders gehen. Ich durfte mitkommen. Für eine Fahrkarte reichte das Geld nicht, also gingen wir zu Fuß. Zügig gingen wir die Straße entlang. Von weitem sah man schon die ersten Häuser von Kortsch. Plötzlich sah ich auf dem Boden etwas glitzern. Ich bückte mich, hob eine Münze auf und reichte sie Mutter. Hocherfreut über den großen Fund rief Mutter: 5 Lire! Das wird unserer Haushaltskasse gut tun. 5 Lire, das war damals viel Geld. Als wir wieder weitergingen fiel mir plötzlich das von den Erwachsenen begehrte „gute Bier“ ein. Ich begann Mutter zu bitten, dass sie mir heute, nachdem ich soviel Geld gefunden hatte, ein so gutes Bier kaufen solle. Wir kehrten also im Gasthaus beim Schorsch in Kortsch ein und Mutter bestellte bei der Kellnerin ein kleines Bier. Ich war enttäuscht – nur ein Bier und dazu noch ein kleines! Mutter sagte: trinken wir einmal dieses, dann sehen wir weiter. Die Kellnerin brachte das Glas mit der senfgelben Flüssigkeit und Mutter schob es zu mir. Mit beiden Händen nahm ich das Glas und führte es zum Munde. Andächtig nahm ich einen kleinen Schluck, hielt aber schnell erschrocken inne, das schmeckte ja abscheulich und überhaupt nicht süß. Wortlos schob ich das Glas der Mutter zu. Die Sehnsucht nach dem guten Bier war endgültig vorbei.
Unsere Bekleidung in der Faschistenzeit
Die Bekleidung für die heranwachsenden Jugendlichen und für die Kinder, kam zum größten Teil vom Schaf. Wir hatten handgestrickte Socken, bis über die Knie reichende und mit einem Gummiband befestigte Strümpfe, gehäkelte Unterröcke, Pullover, Jacken, Schultertücher, Schärpen, Mützen und Handschuhe. Alles wurde aus Schafwolle hergestellt.
Aus den ausgewaschenen Leintüchern nähte meine Mutter Unterhosen, Unterhemden und Werktagshemden für Vater und die Buben. Gekauft wurden nur ein paar Stoffe für Sommerkleider, ein paar Schürzen, ein Sonntagshemd für Vater und die Buben und zwei Sonntagskleider für die Mädchen. Mutter nähte alles selbst. Im Frühjahr und im Herbst kam der Schneider auf die „Stear“. Im Frühjahr nähte er für die Buben eine kurze Hose und einen Sonntagsanzug. Im Herbst bekamen die Buben zwei lange Hosen und die Mädchen einen Lodenrock und einen Mantel. Der alte Mantel wurde abgeschnitten und als Jacke für die Werktage gebraucht. Zweimal im Jahr kam auch der Schuster auf die „Stear“. Er flickte die zerrissenen Schuhe und machte für den Winter hohe und für den Sommer Halbschuhe. Damit sie länger hielten wurden alle mit Nägeln beschlagen. Das Leder für die Schuhe waren gegerbte Schaf- und Ziegenfelle.
Wenn ich jetzt zurückdenke und mir vorstelle wie wir damals mit den groben, benagelten Schuhen, den dicken Schafwollstrümpfen, den halblangen Lodenröcken, die oft so eng waren, wie die Trampeln durch das Dorf stolzierten, kann ich ein leises, wehmütiges Lächeln nicht unterdrücken.